Newsletter Juli 2023
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitglieder der Freien Ärzteschaft und Interessierte,
nach längeren Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern wurden jetzt die „Eckpunkte“ der von Minister Lauterbach geplanten Revolution im deutschen Gesundheitswesen vorgelegt. Bei den Planungen kommt vor allem ein Bereich zu kurz: die ambulanten freiberuflichen Praxen!
Die Kliniken haben in den letzten Jahren deutlich Patientenzahlen verloren, die sich über die Coronazeit hinweg entwickelt haben und danach auch nicht „erholt“ haben. Im Gegenteil, die Patienten haben sich andere Behandlungswege im ambulanten Bereich gesucht. Während der Coronazeit wurden die Kliniken mit Milliardensubventionen für leere Betten unterstützt. Dass diese jetzt wegfallen, führt dann auch zu „roten Zahlen“, wobei in der öffentlichen Diskussion völlig fehlt, dass große Teile der Klinikbetten privaten Konzernen gehören, die jahrelang hohe Renditen aus diesem Bereich gezogen haben und noch ziehen.
Immer weniger Kassenärzte, immer mehr unbesetzte Kassensitze
Der gesamte Bereich der ambulanten freiberuflichen Praxen fällt in der Ampel-Politik jedoch unter den Tisch – losgelöst davon, dass dort mehr als 90 Prozent der Krankheitsfälle behandelt werden. Für die Zukunft plant die Ampel-Regierung hier große Anstrengungen in Richtung staatlicher Steuerung, Entmachtung der Freiberufler, kommunaler Kleinkliniken, Tausender subventionierter „Gesundheitskioske“ und weiterer finanzieller Austrocknung der Arztpraxen. Lauterbachs digitale Luftschlösser führen zu weiteren Zwangsmaßnahmen gegenüber den Arzt- und Psychotherapiepraxen. Die Folgen: Immer mehr freiberufliche Praxen verabschieden sich aus dem KV-System und die Anzahl der nicht besetzten Kassensitze wird immer größer.
Angriffe auf die Medizinqualität und finanzielle Stabilität von Praxen
Völlig absurd wird die Lauterbach’sche Revolution, wenn man in den Klinikreform-Eckpunkten liest, dass in Zukunft die ärztliche Weiterbildung wesentlich in den Restkleinkliniken aus dem Level 1i stattfinden soll, in denen es grundsätzlich eine „Abteilung für Allgemeinmedizin und für Geriatrie“ geben soll. Würden diese praxisfernen Pläne Wirklichkeit, wäre dies das Ende der Medizinqualität in Deutschland. Wo sollen die Ärztinnen und Ärzte denn ihre Facharztausbildung durchführen, wenn es die qualifizierte Facharztausbildung in allen Kliniken nicht mehr gibt? Absurdistan! Das zeigt nur, was für völlig praxisferne Planer in Berlin am Werk sind.
Für die nächsten sogenannten Honorarverhandlungen auf der Bundesebene werden von den Kassen schon mal Nullrunden angekündigt, was einen weiteren Angriff auf die finanzielle Stabilität der Arztpraxen bedeutet. Wir als Freie Ärzteschaft werden uns auf allen Ebenen weiter für die freiberuflichen Praxen einsetzen, unter anderem wie bei jedem Deutschen Ärztetag und natürlich auch als kritische Teilnehmer bei der geplanten „Krisensitzung“ der KBV am 18. August in Berlin.
Ärztetag 2023: Anträge der Freien Ärzteschaft und ihre Beschlüsse
Auch in diesem Jahr waren Vertreter der Freien Ärzteschaft (FÄ) beim Deutschen Ärztetag vor Ort, bei dem fünf Anträge aus dem FÄ-Vorstand zur Diskussion standen und vor allem von Wieland Dietrich und Silke Lüder aktiv vertreten wurden. Zwei Anträge wurden angenommen, zwei an den Vorstand überwiesen, ein Antrag entfiel. Besonders bedauerlich: die Überweisung an den Vorstand nach vorheriger Annahme des Antrags von Wieland Dietrich zum Schutz von Patientenrechten und informationeller Selbstbestimmung (Vc – 5), in dem es darum ging, bei der elektronischen Patientenakte eine Opt-out-Lösung zu verhindern. Hier nun die einzelnen Anträge kurz zusammengefasst:
Ic – 116
GOÄ als Merkmal des freien Berufs – rechtliche Möglichkeiten zur Honoraranpassung prüfen und ausschöpfen
Inhalt: Aufforderung, im Zuge fortlaufender Kostensteigerungen und der Inflation zeitnah rechtliche Möglichkeiten zu prüfen, um eine verbesserte Honorarsituation in der privatärztlichen Gebührenordnung zu erzielen – unabhängig von einer Novellierung der GOÄ.
Beschluss: Entfallen (aus Zeitmangel keine Abstimmung)
127daet.baek.de/data/media/BIc116.pdf
II – 5
Freiheit der ärztlichen Berufsausübung im Hinblick auf ärztliche Fernbehandlung gewährleisten
Inhalt: Keine Verpflichtung für ärztliche Fernbehandlungen und damit keine Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit.
Beschluss: Angenommen (Ja: 180, Nein: 18, Enthaltungen: 19)
127daet.baek.de/data/media/BII05.pdf
Vc – 10
Die Option des Druckformats für Rezepte und AU-Bescheinigungen ist im Hinblick auf die Versorgungssicherheit unverzichtbar
Inhalt: Zusätzlich die Möglichkeit erhalten, trotz der Digitalisierungsstrategie Rezepte und AU-Bescheinigungen auszudrucken, um die Versorgungssicherheit von Patientinnen und Patienten auch bei Ausfällen telematischer Funktionen zu erhalten.
Beschluss: Angenommen (Ja: 110, Nein: 31, Enthaltungen: 21)
127daet.baek.de/data/media/BVc10.pdf
Vc – 12
Patientenrechte und informationelle Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten müssen geschützt bleiben
Inhalt: Keine Unterstützung des Opt-out-Prinzips bei der elektronischen Gesundheitsakte (ePA) und stattdessen Beibehaltung der bisherigen Zustimmungslösung (Opt-in), um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten zu erhalten.
Beschluss: Im ersten Wahlgang Annahme dieses Antrages nach ausführlicher Diskussion, entgegen der Empfehlungen aus dem Vorstand der Bundesärztekammer, anschließend Vorstandsüberweisung nach sogenannter 2. Lesung. Über diese kritische Diskussion wurde weder im Deutschen Ärzteblatt noch in anderen Medien berichtet – außer im Ärztenachrichtendienst (änd), im Handelsblatt und bei Heise Online.
127daet.baek.de/data/media/BVc12.pdf
Ic – 5a
Änderungsantrag zu Antrag Ic – 5a – barrierefreie Digitalisierung
Inhalt: Digitalisierung: Ermöglichung einer gleichberechtigten selbstbestimmten und barrierefreien Teilhabe auch für Menschen mit Behinderungen und all jene, die nicht über die entsprechende erforderliche Technik verfügen oder sie bedienen können.
Beschluss: Vorstandsüberweisung ohne vorherige Abstimmung (Zeitknappheit)
127daet.baek.de/data/media/CIc05a.pdf
Pressearbeit rund um den Deutschen Ärztetag
Im Zusammenhang mit den Themen des Ärztetags hat die Freie Ärzteschaft in drei Pressemitteilungen noch einmal ihre Standpunkte zu verschiedenen gesundheitspolitischen Aspekten verdeutlicht – insbesondere zur geplanten Opt-out-Lösung bei der elektronischen Patientenakte (ePA) und der damit zwangsläufig aufgehobenen ärztlichen Schweigepflicht, zur Honorarsituation und eine gefährdete Behandlungsqualität aufgrund einer massiven Unterfinanzierung. Lesen Sie hier mehr:
15.5.2023: Ärztetag 2023: Freiheit und Verantwortung der ärztlichen Profession verteidigen
19.5.2023: Ärztetag 2023: Unterfinanzierung und Gängelung bedrohen unsere Medizin
23.5.2023: Ärztetag 2023. Scharfe Kritik an Lauterbachs Gesundheitspolitik
Herzliche Grüße vom Vorstand der Freien Ärzteschaft
Wieland Dietrich, Dr. Silke Lüder, Dr. Axel Brunngraber, Dr. Heinz-Jürgen Hübner und Dr. Hannes Pietschmann
Essen/Hamburg, 18.7.2023